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Darstellung von Zeit in der bildenden Kunst

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Abbildung von Zeit im Bild ist ein Widerspruch. Das Bild ist ein Medium, welches sich in der Zeit nicht entwickelt, die materielle Struktur ist, abgesehen von Veränderungen, die durch Umwelteinflüsse geschehen, stabil. Heerscharen von Restauratoren werden weltweit aufgeboten, um eben diesen stabilen Zustande auch gegen die ungewollten Einflüsse der Außeneinwirkungen zu schützen und das Bild in seinem ursprünglichen Zustand zu konservieren. 

Das Bild in seiner materiellen Struktur repräsentiert vielleicht so etwas wie das Langzeitgedächtnis der Menschheit. Dies gilt sicherlich auch für das Buch, da ein Buch ja ebenfalls Träger einer visuell dargestellten Information ist. Ein Buch muss allerdings dann in einem zeitlichen Zusammenhang gelesen werden, der unzeitliche Charakter des Buches als Objekt muss in eine linear zeitbezogene Information beim Lesen übersetzt werden. Man kann die Form des Buches als archivierte Information bezeichnen, man muss die Information erst wieder in einem anderen Kanal aktivieren ehe die "Datei geöffnet" werden kann. Dies zeigt, dass es die unterschiedlichsten Möglichkeit gibt Informationen zu archivieren, Die Schallplatte, das Tonband, das Videoband, die Filmrolle, und alle digitalisierten Medien, wie die CD, die CD-Rom, auch die digitalen Informationen auf der Festplatte des Rechners sind archivierte Informationen und müssen erst - im Falle des Computers - rückübersetzt werden in ein zumindest temporär sich aufbauendes Bildschirmbild, welches erst im zweiten Schritt dann der jeweiligen Rezeptionsweise zugänglich wird. 

Natürlich muss auch ein Bild "gelesen" werden, aber ein Bild eröffnet sich nicht in einem linearen Zeitbezug, sondern eher vergleichbar dem archäologischen Abtragen von Schichten, die immer wieder Neues zu Tage fördern können. 

Der Zeitbezug bei einem Bild ist nicht in der materiellen Struktur des Bildes zu finden sondern bei der Rezeption. Durch unsere zeitlich strukturierte Wahrnehmung bekommt auch das Bild in der Rezeption einen zeitlichen Charakter, und das macht auch die Faszination eines Bildes mit aus: Obwohl das Bild tendenziell immer dasselbe bleibt ist jeder Blick darauf immer wieder ein  neuer und wird in einem Zeitbezug erlebt. Auch wenn dies nicht bewusst wahrgenommen wird hat man so immer auch einen Teil eigene Wahrnehmung mit wahrgenommen.

Der Versuch beim Bild Zeit zum Ausdruck zu bringen landet sinnvollerweise beim Comic, beim Film, auch der Fotoroman versucht sich hierin. Das ist auch sinnvoll, denn diese Medien haben eine inhärente zeitliche Struktur. 

Kaiserpanorama

Aber gehen wir noch einmal auf das Bild ein. Hier sind Darstellungsweisen zeitbezogener Zusammenhänge auch mit den Darstellungstendenzen verknüpfbar. Ästhetisches Zeiterleben ist anders als gestisches usw. Diese unterschiedlichen Zeiterfahrungen können im Bild mit den Darstellungstendenzen verknüpft werden. 

Ästhetisches Zeiterleben geht vom Augenblick und der Aufeinanderfolge von Augenblicken aus. Durch die (erinnerte) Kette der Augenblicke wird Zeit erfahrbar. Die Unterschiede zwischen den Augenblicken, das "zu Ende sein", das "etwas Neues erleben", das sich immer wieder neu Einlassen sind wichtige Elemente unseres ästhetischen Zeiterlebens. 

Die Darstellung von ästhetisch erlebter Zeit im Bild in der Betonung des Augenblicks macht die Fotografie im Schnappschuss. Das "Festhalten" des Moments eben auch als Erfahrung von Zeitlichkeit. 

Auch so etwas wie die Nageleien von Uecker haben diesen ästhetischen Kern. Sowieso die kinetischen Kunst, die Mobiles von Calder, die selbstverständlich mehr der Plastik zuzuordnen sind als der Malerei. Aber vielleicht auch ein Vasarely, der mit dem Phänomen der Nachbilder, des Kippbildes arbeitet, was dann ja so etwas heißt wie "gerade noch so, jetzt schon so"...

Viktor Vasarely, Goett-2, 1984, 220x205 cm

Selbstverständlich spielen auch impressionistische Bilder mit dem Augenblick, lenken dabei allerdings nicht den Blick auf die Vergänglichkeit des Augenblicks, um damit Zeit sichtbar werden zu lassen.

Max Liebermann, Garten in Wannsee, 

Gemeinsam ist diesen Formen der Darstellung, dass auf dem Bild selbst nichts geschieht, was Zeit ausmacht. Die Zeitwahrnehmung ereignet sich im Kopf des Betrachters. 

Gestisches Zeiterleben ist vielleicht die hauptsächliche Form, in der wir Zeit erleben. Das Handeln setzt sich um in Veränderung von Realität, 'nachher' ist alles anders als 'vorher'. Man hat etwas "bewegt", man hat sich selbst bewegt, ist an einem anderen Ort, hat eine andere Position. Ortsveränderung ist immer auch gleichbedeutend mit Zeiterfahrung. Die Reise...

Die Darstellung von gestisch erlebter Zeit im Bild in der Betonung des eingreifenden Veränderns, des Eingriffs. Fontana vielleicht mit seinen Schnittspuren im Bild, wo die Aktion als vergangene vehement sichtbar bleibt.

Wird fortgesetzt....